Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) und Joseph Gabriel
Rheinberger (1839-1901) zählen beide, obwohl aus verschiedenen Zeiten des
19. Jahrhunderts stammend, zu den wichtigsten Komponisten romantischer
Kirchenmusik. Da sie vor allem auch als Kirchenmusiker wirkten und so für
nahezu jeden Sonntag Stücke schrieben, ist es nicht überraschend, dass sie uns
eine Vielzahl von Motetten und auch größeren Werken für jeden Anlass
kirchlichen Lebens hinterlassen haben, die zu den beliebtesten und bekanntesten
Chormusikstücken überhaupt zählen. Sowohl in "Jauchzet dem Herrn alle
Welt" von Mendelssohn als auch in den Motetten op. 40 von Rheinberger sind
Psalmtexte vertont.
Maurice Duruflé (1902-1986) ist dagegen ein nur "Spezialisten" bekannter französischer Komponist des
20. Jahrhunderts, der aber in seiner Tonsprache noch ganz von Spätromantik und
Impressionismus geprägt ist, wie auch das schlichte, aber sehr klangschöne
"Notre Pére" (Vater unser) zeigt.
Der litauische Komponist Vytautas Miskinis (*1954) ist in Deutschland noch so gut wie gar
nicht verbreitet. Er setzt in seiner Motette "Cantate Domino" (Singet dem
Herrn) eindrucksvoll und effektvoll rhythmische Elemente des Jazz ein, die mit
schwungvoll leichter Harmonik und bitonal geschichteten Klängen verbunden werden.
Der Motettenzyklus "Religio Mundi" (uraufgeführt 2002) des Frankfurter Komponisten
Richard Rudolf Klein (*1921) hat den hochaktuellen Dialog der
verschiedenen Weltreligionen zum Inhalt. Er kommt in den sehr unterschiedlichen
Charakteren und der rhythmischen Lebendigkeit der kleinen Motetten farbig zum
Ausdruck.
Der zweite Teil des Programms soll auf den beginnenden Advent einstimmen.
Die zwei anonym überlieferten kleinen Weihnachtsmotetten "Nowell sing we"
und "Gaudete" datieren noch aus der Zeit vor der beginnenden Renaissance und sprechen eine sehr archaische, für
unsere Ohren teilweise herbe und ungewohnte Tonsprache, entwickeln aber ihren
ganz eigenen musikalischen Reiz.
Den Übergang von der Renaissance zum Frühbarock verkörpert Johann Eccard (1553-1611),
dessen Motette "Übers Gebirg Maria geht" recht bekannt ist. Sein
fünfstimmiger Choral "Ich lag in tiefer Todesnacht" ist auch als Kirchenlied
(Ich steh an deiner Krippen hier) einem breiten Publikum geläufig.
Eines der beliebtesten deutschen Weihnachtslieder ist "In dulci jubilo"
dessen volkstümliche lateinisch-deutsche Mischdichtung uns immer wieder bezaubert. Die
vier Strophen werden in vier verschiedenen Sätzen von Michael Praetorius (1572-1621)
, Johann Walter (1490-1570), Johann Eccard (1553-1611) und Johann
Sebastian Bach (1685-1750) vorgetragen und stehen exemplarisch für die
stilistische Entwicklung von der Renaissance (J. Walter) bis zum ausgereiften
Spätbarock eines J. S. Bach.
Das Programm macht nun einen Sprung ins 20. Jahrhundert. Das schlicht-zarte "There is no rose" (die
einfache Schönheit und Tugend des nackten Jesuskindes wird besungen und mit dem
Bild der Rose verglichen) von John Joubert (1927-1991), die mit ihrem Fernchor
besonders eindrucksvolle "Hymn to the virgin" (Marienanbetung)
von Benjamin Britten (1913-1930) - beide übrigens auch in diesmal
englisch-lateinischer Mischdichtung - und die fulminante Hymne zum Lobpreis
Gottes "Benedicamus Domino" von Peter Warlock (1894-1930) stellen allesamt Juwelen weihnachtlicher
Chormusik aus England dar. Sie beschränken sich nie nur auf spätromantischen
Schönklang, sondern öffnen mit eingestreuten Dissonanzen immer wieder auch den
Blick auf die gemäßigte Moderne des 20. Jahrhunderts, wobei vor allem Britten
zusätzlich auch Elemente mittelalterlich kirchentonaler Harmonik einfließen
lässt.
Der Abend wird beschlossen mit wieder bekannteren weihnachtlichen Melodien,
arrangiert von dem in Frankfurt lebenden Engländer Robin Doveton. Sie schlagen stilistisch
einen großen Bogen vom einfachen, etwas volkstümlichen Satz (Quittez pasteurs)
über regelrechte Reger'sche Spätromantik (Maria durch ein Dornwald ging) bis
hin zu Jazz-Elementen und U-Musik (Jingle bells).
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